Treffpunkt Architektur: Eine Ikone der Sechzigerjahre­

Erstellt am 3. Dezember 2018 von Brigitte Groihofer
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Architektur & Bau Forum lädt am 8. November gemeinsam mit den Eigentümern, Norbert Winkelmayer (Sans Souci Group) & Friedrich Gruber (6B47 Real Estate Investors) zu einer exklusiven Architekturführung in das neue „PhilsPlace“.

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Zwischen 1961 und 1967, nach dem Entwurf von Karl Schwanzer errichtet, wurde das einstige Philipshaus zu einem Full-Service-Apartmenthotel umgebaut. Das ehemalige Philips-Haus, als Empfangs-Bauwerk Wiens und Wahrzeichen der Moderne, jedem von der Südautobahn einfahrenden Autofahrer bestens vertraut, ist nun unter der Aufsicht des Bundesdenkmalamts restauriert und mit neuer Nutzung eröffnet worden.

Das Philips-Haus (1961 Spatenstich, 1963 Dachgleiche und Eröffnung 1967) hat im Laufe der Jahrzehnte viele Umbauten und Nutzungen erfahren, zuletzt massiv 1989/90. Trotz der baulichen Veränderungen relativ gut erhalten wurde der Bau in Teilen unter Denkmalschutz gestellt und behauptet sich stolz, trotz der Umklammerung weit höherer naher Neubauten.

Seit 2013 die Philips-Mitarbeiter auszogen, stand das Gebäude leer. Umnutzungen sind meist schwierig, da Karl Schwanzer die Konstruktion des Gebäudes minutiös auf die Bedürfnisse der Nutzer entwickelt hatte. Die offenen stützenfreien Geschoße machten eine neue Nutzung möglich, und so wagten es die Eigentümer 6B47 Real ­Estate Investors unter Friedrich Gruber mit der Sans Souci Group unter Norbert Winkelmayer, ein neues Nutzungskonzept zu entwickeln. Unter dem Namen PhilsPlace wurde ein sogenanntes „Vertical Village“ eröffnet mit 135 möblierten Full-Service-Apartments in den Obergeschoßen sowie einem kommerziellen Mix in den unteren Etagen (Merkur, Hofer, Fitnesscenter, Bank) und ein das Apartmenthotel ergänzendes Restaurant Vapiano, hier in einer exklusiven Variante von Matteo Thun designt. Das Architekturbüro Josef Weichenberger architects + Partner erhielt den Direktauftrag für die Revitalisierung der zu Recht unter dem wachsamen Blick des Bundesdenkmalamtes stehenden Architekturikone, zugleich eine der ersten Zeugnisse von Corporate Architecture, die das innovative Image des Philips-Konzerns als weithin sichtbare Visitenkarte nach außen lange Jahre getragen hat.

Konstruktives
Die 50 Meter hohe und 71 Meter breite Stahlbetonkonstruktion gilt als statische Meisterleistung ihrer Zeit. Der Hochbau sowie der darunter errichtete Sockel als Flachbau stammen von niemand geringerem als dem genialen Ingenieur Robert Krapfenbauer in Zusammenarbeit mit Dyckerhoff & Widmann aus München. Ein Glück für die Architekten, dass sich im Keller des Hauses die originalen Statikpläne fanden. Das Philips-Haus ist außerdem das erste Hochhaus Wiens, bei dem Spannbeton eingesetzt wurde: Konstruktiv bildet es eine Brücke mit bis an die Grenze ausgereizter Spannweite. Die Stockwerke selbst bilden je zwei 71 Meter lange Geschoßträger aus Spannbeton, die an beiden Seiten 16 Meter über die Stützen frei auskragen und deren Enden durch 14 Meter lange Querträger miteinander verbunden sind. Vier Pylonen mit einem Fußabdruck von gesamt zirka 16 Quadratmetern und 12 Metern Trakttiefe halten die Konstruktion. Das Untergeschoß, die drei Flachbau-Geschoße, die neun Regelgeschoße und das über dem Mittelteil thronende Pent­house sind wie Regalbretter eingeschoben. Der erst 1969–1970 errichtete zweigeschoßige Flachbau steckt wie eine Schublade unter dem Regal. Eine – für Karl Schwanzer typische – Kombination aus Schweben und Spannung, aus Hoch- und Flachbau. Ursprünglich lag das erste Geschoß zwei Geschoßhöhen über dem Boden und erfüllte damit die auf Le Corbusier zurückgehende Forderung des schwebenden Abhebens vom Boden. Die im Inneren stützenfreie Konstruktion – und ersten Großraumbüros in Österreich – vereinfachte nun die Gliederung in Apartments. Das statische System aus den vier Pylonen und zwischengehängten geschoßweisen Brückenträgern ist durch zwei Stahlbetonkerne ausgesteift, die auch die Stiegenhäuser und Lifte enthalten. Diese Erschließungskerne und die Fassade stehen unter Denkmalschutz.

Die Fassade war ursprünglich aus Sichtbeton, wurde aber von Schwanzer mit einer Betonbeschichtung aus gebrochenem Weiß überzogen, die mit den Fensterbändern aus eloxiertem Aluminium bestens harmoniert. Die Fensterbänder wurden demontiert und gemäß Schwanzers Originalplänen rekonstruiert, allerdings in Form von bauphysikalisch optimierten Faksimiles. Josef Weichenberger ­architects + Partner haben gefühlvoll und in enger Abstimmung mit dem BDA renoviert und einige der 1990 beigefügten Wunden rückgängig gemacht. So wurde die Aufschüttung des Geländes, das die Sicht auf das EG nahm, wieder rückgängig gemacht, sodass nun die südliche Panoramafensterfront ebenso wie Schwanzers Grundidee des schwebenden Flachbaus wieder zur Gänze sichtbar sind.

https://www.bauforum.at/architektur-bauforum/treffpunkt-architektur-eine-ikone-der-sechzigerjahre-171849

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Mag. phil.
Dr. techn. MBA
Brigitte Groihofer
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