Christian, Diether und Thomas Hoppe: Generationsübergreifend

Erstellt am 17. Dezember 2018 von Brigitte Groihofer
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Architektur, Lehre und die Aufgeschlossenheit zu Innovationen sind in der dritten Generation eng mit dem Namen Hoppe ­verbunden. Diether Hoppes Söhne, Thomas und Christian, haben Baukultur mit der Muttermilch aufgesogen. Aktiv widmen sich alle standespolitischen Sach­themen. Und der neue Vorsitzende der Sektion Architekten in der Ziviltechnikerkammer W/NÖ/B heißt Thomas Hoppe.

hoppe_archit_2018_v1Fotografie: Larry Williams

Wie sieht die Arbeit in einem Familienbetrieb mit einem noch so präsenten Vater aus?

Thomas Hoppe (TH): Bei unserem Einstieg gab es eine Gewöhnungsphase, die viel mit Änderungsmanagement in der Abwicklung zu tun hatte. Als einzelner Architekt ist man für alles verantwortlich, man ist jener, auf den sich alles fokussiert, von dem alles ausgeht. Die eigentliche Veränderung brachte hier die Digitalisierung. Man geht nun als Chef nicht mehr jedes Wochenende durch das Büro und setzt seine Anmerkungen auf die Pläne, die auf den Tischen liegen. Dieser Kulturbruch war anfangs spannend und hat durchaus Meinungsverschiedenheiten ausgelöst.
Christian Hoppe (CH): Neu war die Gesellschaftsform mit Partnern und einer anderen, breiteren Herangehensweise. Von der im Mittelpunkt stehenden gestalterischen Aufgabe hin zur Manager- und Koordinationsfunktion.
Diether Hoppe (DH): Es gibt kein Weiterreichen eines Bauherrn mehr wie früher, obwohl dies jetzt durch die rechtlichen Möglichkeiten der ZT-Gesellschaft durchaus möglich wäre. Die Auffassung meiner Generation war jene des selbst zeichnenden und entwerfenden Architekten, der alles in der Hand hat, mit dem Bauherrn spricht, die Baustelle besucht und sich auch um Bereiche des Standes kümmert. Eines der wichtigsten Dinge bei uns ist, dass wir miteinander reden und uns über Probleme austauschen.

Wie hat sich das Bild des Architekten als Künstler verändert?
DH: Der Architekt als Künstler ist nicht in Vergessenheit geraten, aber unter 1.000 Architekten treten vielleicht 10 bis 20 mit ihrer Entwurfsidee auf und haben einen Namen. Das Bild, dass man mit einem dicken Bleistift großartige Entwürfe zeichnet, und daraufhin stürzt die Welt auf einen zu und überschüttet einen mit Aufträgen, gibt es schon lange nicht mehr. Zwar gilt die Entwurfs­idee nach wie vor, allerdings wird sie meist verändert weitergeführt und realisiert.
TH: Es gibt kaum mehr einzelne Bauherren als Gegenüber. Meist bestimmen Konsortien mit wechselnden Personen eher zögerlich. Private, die bauen möchten, informieren sich über das Internet. Das generiert neben einem Halbwissen auch eine bestimmte Erwartungshaltung wie Dinge auszusehen und zu funktionieren haben. Wir haben schreckliche Situationen erlebt, in denen Personen zu uns gesagt haben: „Ich weiß, sie wollen zuerst einen Vorentwurf und einen Entwurf machen, aber geben sie mir doch einfach nur das Schaubild.“ Wenn mein Vater diesen Satz hört, glaubt er, es sei ein Scherz.
DH: Und es macht ihn traurig.
TH: Hatte sich ein Auftraggeber früher für einen bestimmten Planer entschieden, vertraute er diesem, in guten wie in schlechten Tagen. Jetzt wird vorweg evaluiert, ob das vorliegende Projekt ebenso funktional und kostengünstig ist wie ein vermeintlich vergleichbares, das etwa vor einem halben Jahr an anderer Stelle errichtet wurde. Die Bereitschaft, etwas weiterzuentwickeln, nimmt ab, die Einzigartigkeit eines Entwurfs oder Konzepts wird damit wohl relativ schnell abgeschafft.

Liegt das auch an wirtschaftlichen Einschränkungen wie etwa straffen Projektkosten?
TH: Wir sind gezwungen, neben der künstlerischen Idee auch sofort die wirtschaftlichen Daten und Benchmarks, wie Baukosten, Bauabläufe und operative Kosten, mitzuliefern. Der Architekt wird zu einer all­umfassenderen Information inklusive zukünftiger Prognose gezwungen. Vater, wie viel Zeit hast du früher für eine Kostenschätzung gebraucht?
DH: Wenn man als Architekt nach Kosten gefragt wurde, war es leicht möglich, eine unmittelbare Antwort zu geben, weil man einfach wusste, was gewisse Volumina kosten. Das traue ich mich jetzt in der Form nicht mehr. Heute wird dies neben meiner Leistung von meinem Verantwortungsbereich und durch die Wünsche des Bauherrn bestimmt. Meistens ist es schwer, rasch herauszufinden, in welcher Qualität, auf welche Art und in wie viel Zeit ein Bauwerk umgesetzt werden soll. Die Fehleinschätzung, ab wann man Kosten vorhersagen kann, begann mit jenen Wettbewerben, bei denen man bereits anhand eines Planes im Maßstab 1:200 präzise Kostenaussagen treffen musste, für zu diesem Zeitpunkt praktisch noch gar nicht zu Ende gedachte Projekte.
CH: Diese Situation verschärft sich, weil immer mehr Verantwortungen der Bauherrn auf Planer und Konsulenten übertragen werden und man meint, über Erfahrungsnachweise die Sicherheit zu erhöhen. Auch daran kann man ermessen, wie breit dieses Spektrum mittlerweile geworden ist.
DH: Früher entschied man als junger Architekt oder Student selbst, ob man sich bei der Teilnahme an Wettbewerben „ausbeuten“ wollte. Das begann mit der möglichen Teilnahme an einem Wettbewerb etwa für einen Schulbau, obwohl man noch keine Erfahrung hatte – aber spätestens nach dem fünften oder sechsten Mal hatte man sie. Dieser Lernprozess ist jetzt unterbrochen. Heute braucht man Zertifizierungen und Nachweise, dass man bereits 15 Schulen gebaut hat – das ist absurd. Das verhindert jeden Fortschritt, weil die Wettbewerbsteilnahme nur mehr einem bestimmter Kreis vorbehalten ist.
TH: Die Frage ist, inwieweit sich Bauherrn noch einem Diskurs der Entwurfsideen stellen wollen. Die Außenwahrnehmung ist, dass sich die Kollegenschaft ganz hemmungslos gegenseitig mit Einsprüchen behindert und Wettbewerbs­ergebnisse über den Haufen wirft. Das führte letztlich zu einer höheren Komplexität bei den Abgabe-Formalismen. Durch das Einschalten von Rechtsanwälten tritt die Frage nach der perfekten Abwicklung sowie vorher erbrachter Referenzen in den Vordergrund und verdrängt die architektonische Idee. Wir Planer sind daran nicht ganz unschuldig, dass Bauherrn sich keine Wettbewerbe mehr antun wollen, weil sie am Schluss keinen Entwurf haben, den sie bauen wollen, sondern jenes Projekt, dessen Verfasser den besseren Anwalt hatte.

Ist der Architekt als allumfassender Generalist noch ein Zukunftsmodell?
DH: Ich denke, dass der Architektenberuf mit seinem alles umfassenden Wissen durchaus wiederkehrt.
TH: Ich sehe hier den allumfassenden Anspruch, nicht aber die ebensolche Fähigkeit. Planung ist heutzutage in vielen Bereichen so komplex, dass selbst erfahrene Kollegen, die meinen, die Bauordnung zu kennen, von erfahreneren Kollegen nicht ernst genommen werden, wenn diese nach dem Erscheinungsjahr der Bauordnung fragen, nach der entsprechenden OIB-Richtlinie oder Norm. Den Anspruch zu stellen, dem letzten Generalistenberuf anzughören, scheint mir ver­messen.
CH: Die Mitarbeiterstruktur hat sich rapide weiterentwickelt. Im Büro unseres Vaters arbeiteten höchstens elf Personen. Aktuell bewegen wir uns bei 25 Mitarbeitern, auch die Büroorganisation ist aufwendiger. Das traditionelle Bild eines Ausbildungsbüros, in dem früher initiative Studenten für ein geringes Honorar froh waren, jemandem über die Schulter schauen zu dürfen, findet man so heutzutage nicht mehr.
TH: Wir sehen uns als Familienbetrieb, selbst die hier tätigen Studenten sind angestellt. Wir haben eine externe Personalverrechnung, weil das neben dem Tagesgeschäft nicht mehr zu schaffen ist und die möglichen Risiken nicht überschaubar sind, etwa wenn jemand zwei Tage hintereinander mehr als zehn Stunden arbeitet. Auch wenn der Abgabetermin eines Wettbewerbs mehr Stundenaufwand fordert, muss man genaue gesetzliche Regeln in Bezug auf die Arbeitszeiten einhalten. Ganz klar, der Mitarbeiter wird hier mit seinen Rechten meist mehr geschützt als der Arbeitgeber, da wird man leicht als Böser gesehen, aber im globalen Kontext ist das so natürlich auch richtig.
CH: Wobei man sagen muss, dass Menschen ja auch gewillt sind, in der heißen Phase eines Wettbewerbs, Tag und Nacht für einen temporären Zeitraum zu arbeiten, was aber eben  arbeitsrechtlich eigentlich nicht geht.
DH: Die Begeisterung wird so schon stark eingebremst.

Eine gute Überleitung zum Thema Lehre. Wie gut sind Absolventen auf die zukünftige Arbeit vorbereitet? Muss man hier als Unternehmer die Rolle des Ausbildners übernehmen?
CH: Definitiv. Ein Teil unserer Mitarbeiter arbeitet branchenübergreifend mit der Bauindus­trie, und wir finden ein sehr reduziertes Angebot vor. Wenn wir Mitarbeiter in der Bauwirtschaft suchen, ähneln diese Stellen jenen auf der „anderen Seite“, also bei Baufirmen, die Leistungsabgeltungen bieten können, die uns auf Basis des Kollektivvertrags und branchenüblicher Honorare gar nicht möglich sind. Die einzige Chance liegt in einer Art Idealismus, der es erlaubt zu erkennen, wie spannend das Berufsbild des Architekten doch eigentlich ist. Die Beschäftigung mit dem Thema des immerwährenden Lernens ist uns in einer Zeit, in der sich permanent die Spielregeln, Gesetze oder Vorgaben verändern, sehr wichtig.
TH: Wir unterrichten etwa in der ZT Akademie zum Thema Barrierefreiheit oder Denkmalschutz. Es ist klar und ist im Ziviltechnikergesetz verankert, wir sind als Architekten verpflichtet, uns stetig fortzubilden, auch unsere Arbeit selbst beinhaltet Fortbildung. Es ist nicht nachvollziehbar, wenn behauptet wird, dass man, nur weil man irgendwann einen Ziviltechnikerkurs absolviert hat, 15 Jahre danach die aktuellen Anforderungen noch kennt. Ich gehe davon aus, dass jene Menschen, die gesellschaftlich als Architekten oder Planer auftreten und die Gesellschaft mitprägen, auch ein entsprechendes Bildungsniveau aufzuweisen haben und sich der Auftraggeber auch darauf verlassen kann, dass die Person, die ihm gegenübersitzt und einen Stempel mit einem Adler hat, sich entsprechend weitergebildet hat.
CH: Es ist wichtig zu vermitteln, dass Architektur mehr ist als nur Entwerfen und Gestalten. Wenn sich jemand wünscht, in der Entwurfsabteilung mitzuarbeiten, kann ich nur antworten, wir entwerfen alle gerne, und deshalb haben wir uns auch für diesen Beruf entschieden. Auf unser Tagesgeschäft heruntergebrochen macht das in Wahrheit leider nur einen Bruchteil aus.
TH: Wir gehen davon aus, dass jeder, der zum Architekten ausgebildet wurde, auch die Fähigkeit zum Entwerfen hat. Die Frage ist nur, ob diese Person auch besser ist als die anderen 99 Prozent und ihm damit auch der rare Job als Design-Direktor zusteht. Ein fertiges Bauwerk vor Augen zu haben und zu wissen, dass man dies von der Entwurfsskizze an selbst gezeichnet hat, wie mein Vater sagt, ist einer der aufregendsten Momente unseres Berufs – leider aber auch eine Art Droge, die unsere Tätigkeit bestimmt. Man ist bereit, alles zu tun, damit sich das wiederholt.
CH: Fakt ist, dass sich sehr viele der berühmten Skizzen unseres Großvaters, der ja auch Architekt war, existieren, ebenso von unserem Vater, von Thomas und mir hingegen nur sehr wenige. Wir arbeiten nämlich mit anderen Tools oder haben diese Wertschätzung des Papiers fahrlässig vernachlässigt. Wenn ich über unsere Generation einmal ein Buch schreiben wollte und illus­trierende Skizzen bräuchte, müssten wir erst einmal welche zeichnen.
DH: Die Skizzen sind zwar im Kopf, und anstatt eines Bleistifts habe ich nun eben ein anderes Werkzeug, mit dem ich sie festhalte. Wahrscheinlich ist das ja eine wunderbare Sache, diese immer wieder abrufen und am Bildschirm verändern zu können.

Nun zum für Sie alle so wichtigen Thema, der Standespolitik.
DH: Dass wir hier in einem Büro sitzen, das bislang über drei Generationen weitergeführt wird, ist bereits ein standespolitischer Erfolg, für all jene, die sich damals engagiert haben, damit wir eine ZT GmbH gründen konnten und dass bei Wettbewerben auch die Namen aller Teammitglieder aufscheinen. Denn die Namensnennung war ein ganz entscheidender Punkt der eigenen Entwicklung. Früher war es verboten, bei Wettbewerben den Namen von Mitarbeitern ohne Befugnis zu nennen. Im Ausland dagegen hatte sich schon damals niemand dafür interessiert, ob man einen Einser im Entwerfen vorweisen konnte. Wichtig war der Katalog, in dem die Wettbewerbsbeteiligungen angeführt waren, auch nicht gewonnene. Es war ein bedeutender Punkt, dass sich die damaligen Kammerfunktionäre für diese Themen einsetzten. Es war mir immer ein großes Anliegen, das Interesse eines Architekten auch für seinen Stand zu sensibilisieren. Man müsste endlich all jenen ein Lob aussprechen, die sich standespolitisch einsetzen, auch das ist Selbstausbeutung, denn die Leistungen hierzu werden in der aktiven Arbeitszeit erbracht. Jeder einzelne, der hier antritt, hat meine Bewunderung und meinen Respekt. Dass wir hier in einer ZT GmbH arbeiten, es eine beschränkte Haftung gibt, ich nicht die Socken meiner Kinder verkaufen muss, wenn ich einen Fehler mache, und eine Haftpflichtversicherung existiert, ist ein Verdienst der Kammer. Den Kritikern der Kammer sollte man klar machen, dass diese Arbeit auch für sie geschieht und ihnen Nutzen bringt.
TH: In den letzten Jahren haben wir es nicht geschafft, sichtbar zu machen, was Architekten eigentlich wirklich leisten. Wenn das gelingt und die Beiträge in allen Bereichen sichtbar werden, dann wird auch keiner mehr darüber diskutieren, was uns dafür bezahlt wird. Wenn jemand versteht, welch unglaubliche Verantwortung inzwischen auf die Planer abgewälzt wird, erübrigt sich jede Diskussion darüber, ob diese Stunde mit einem Basiswert von zirka 85 Euro korrekt und angemessen abgegolten ist. Auch muss man in der Kammerpolitik den Stand der Ziviltechniker gesamtheitlich sehen. Die Berufsgruppe der Architekten ist an sich klein, wenn wir zulassen, dass uns Ingenieurkonsulenten entzweien, machen wir einen Fehler. Wir müssen auch bei unterschiedlichen Interessen gemeinsam für unseren Stand auftreten und uns überlegen, mit wem in Europa wir gemeinsam auftreten wollen.

HOPPE architekten ZT-GMBH
Arch. Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Diether S. Hoppe
Arch. Dipl.-Ing. Andrea Hoppe
Arch. Dipl.-Ing. Thomas Hoppe
Arch. Dipl.-Ing. Christian Hoppe
Arch. DI MArch. AA. Dist. Robert R. Neumayr
Bmst. Ing. Franz Schindler
HOPPE architekten prägen seit über vier Jahrzehnten das Stadtbild Wiens mit. Der Familienbetrieb profitiert von der Interaktion der Generationen. Jahrzehntelange Erfahrung und eine gute Vernetzung der Seniorengesellschafter treffen auf dynamische und innovative Ansätze der jungen Gesellschafter. Das Leistungsbild erstreckt sich vom Bauen im Bestand bis zum Industriebau.
Projekte (Auswahl):
Stöckl im Park, Gasthausbrauerei im Schwarzenbergpark (Ende 2018-); Generalsanierung Hotel im Palais Schwarzenberg (Baubeginn geplant Mitte 2019); Firmenzentrale Dr. Richard; St. Pölten 2018; Umbau und Sanierung Palais Todesco, Gerstner K.u.K Hofzuckerbäcker (2014-17); UKH Meidling, Zu- und Umbau Unfallkrankenhauses der AUVA (2017); WKO (campus wien), Neuerrichtung Fachhochschule und Bildungscampus, Wien (2010)
www.hoppe-architekten.at

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