Hans Hollein – Alles ist Architektur
Schon 1958 in Chicago schreibt Hollein als Antwort der Frage „What is Architecture?“:„Architektur ist notwendigerweise weder ein schützendes Gehäuse noch ein Monument, aber eine der Grundvoraussetzungen ist, dass sie gebaut ist oder herausgegraben, oder geformt mit irgendwelchen anderen Mitteln des Bauens. Eine Höhle ist nicht Architektur, noch ist es ein Baum. Jedoch ein Stahlprofil, in die Mitte der Wüste gerammt, ist es. Architektur ist das Schaffen von Raum von Menschen für Menschen“.
1962, in seinem Vortag „Zurück zur Architektur“ in der von Monsignore Otto Mauer geleiteten „Galerie nächst St. Stephan“ fragt er: „Wie muss eine wahre Architektur von heute aussehen? Vierdimensional, gebaut, roh, rauh bis kristallin, schwarz bis weiß, aber nicht schwarz-weiß, über der Erde schwebend, in den Himmel schießend, schief, plastisch, sinnlich, herrschend, schmutzig, in dauernder Verwandlung begriffen, zwecklos und doch verwendbar, geballt, raumstrahlend.“ Seine Antwort hat bis heute Gültigkeit. Auch Walter Pichler war anwesend und fasziniert. Die Begegnung führte in der Folge zur gemeinsamen legendären Ausstellung „Hollein Pichler. Architektur. Work in Progress.“ vom 8.-12. Mai 1963 und damit endgültig zur fruchtbaren Phase der jungen Visionäre Österreichs. Hollein hatte an der Wiener Akademie der bildenden Künste in der Meisterklasse Clemens Holzbauer (Diplom 1956) studiert. Nach dem Studium war er einer der ersten Absolventen der Nachkriegsgeneration, der in die USA ging und in Chicago am ITT (Illinois Institute of Technology) und an der University of California, Berkeley weiterstudierte und dort 1960 mit dem Master of Architecture abschloss. In Amerika beschäftigte sich Hollein mit dem Werk von Friedrich Kiesler, Rudolph M. Schindler und Richard Neutra, Ludwig Mies van der Rohe, Frank Lloyd Wright, Richard Buckminster Fuller, die er auch persönlich traf. Das Wissen brachte er in der Folge nach Wien mit. 1965 übernahmen er mit Walter Pichler, Oswald Oberhuber und Gustav Peichl die Gestaltung der von der ZV herausgegebenen Zeitschrift „der Bau“, die fortan „Bau. Schrift für Architektur und Städtebau“ hieß und die er für die nächsten fünf Jahre zum Sprachrohr und zentralen Informationsmedium der jungen Avantgarde machte. Die visionären Arbeiten der frühen Jahre sind wohl bekannt, ebenso die „Ikone“, das Kerzengeschäft Retti (1964–1965), sein erster unabhängiger Auftrag in Wien. Auf öffentliche Bauaufträge in Wien wartete er die darauffolgenden Jahrzehnte vergeblich. Die meisten Museumsbauten sind im Ausland entstanden, wie das Städtische Museum Abteiberg in Mönchengladbach (1972–1982), das Museum für Moderne Kunst Frankfurt um (1983–1991) und das unterirdische Museum „Vulcania“ im französischen Auvergne bei Clermont-Ferrand (1994–2002). In Berlin baute er die österreichische Botschaft, in Vaduz die Centrum Bank, in Lima das Headquarter der Interbank und in Wien den Generali Tower. Weniger bekannt sind seine Bauten der letzten fünf Jahre, wie die Wohnhochhäuser in Peru und ein Büro- und Fabrikgebäude sowie weitere sechs Wohnhochhäuser in Taiwan. Aktuell in Bau befindet sich das 200 Meter hohe Bürohochhaus SBF Tower im chinesischen Shenzhen. In Österreich konnte er nach dem umstrittenen Haas-Haus (1985-1990) einige weitere Bauten verwirklichen: das NÖ Landesmuseum und die Shedhalle St. Pölten (1992–2002), in Wien die Volksschule Donau-City (1993–1999), die Bürohochhäuser Saturn Tower Donau-City (2002–2004), den Generali Tower (1994 2000), das Entrée und das Café der Albertina, (2001–2003) und das Bürogebäude Welle am Stadtpark (mit Dieter Hayde, 2004–2008). Anlässlich seines 80. Geburtstages widmen sich zwei Ausstellungen seinem umfassenden Werk: „Hans Hollein: Alles ist Architektur“ (12. April bis 28. September 2014) im Städtischen Museum Abteiberg in Mönchengladbach und die Schau „Hollein“ (25. Juni bis 5. Oktober 2014) im MAK Wien. Kuratiert von Wilfried Kuehn vom Berliner Architekturbüro KUEHN MALVEZZI. Er nimmt aus einer anderen Perspektive die Neubetrachtung des Werks von Hans Hollein vor. Kühn schätzt Holleins frühe Arbeiten der 60er Jahren und meint zu dessen Universalität als Ausstellungsgestalter, Designer und Künstler: „er ist ein Architekt, der tasächlich auch ein Künstler ist, er ist beides. Weil er sich die Frage, ob das eine oder das andere zutrifft, gar nicht stellt, den Unterschied gar nicht macht“. Die Auffassung von Architektur als geistiger Ordnung, das Verhältnis Mensch, Raum und Natur, die Herleitung des Bauens aus dem Kultischen sowie die Faszination für Technik, Weite und Weltraumfahrt wurden zu Holleins Themen, zu seinem Programm und seiner Vision.
Brigitte Groihofer für Architektur & Bauforum 14. April 2014
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