Eine besondere Aufgabe wurde intelligent gelöst. Ordensschwestern als Bauherrinnen und drei junge Architekten haben sich gefunden und eine präzise, menschliche und nachhaltige Raumlösung mit Sensibilität und alemannisch geprägter Tradition für pflegebedürftiges Wohnen geschaffen.
Die Franziskanerinnen von der christlichen Liebe, in Wien auch als Hartmannschwestern bekannt, wurden 1857 in Wien gegründet. Die Ordensgemeinschaft der katholischen Kirche mit derzeit 74 Schwestern widmet sich vor allem der Obsorge alter und kranker Menschen. In Wien betreibt sie zwei Krankenhäuser, das ehemalige Hartmannspital, nun Franziskus-Spital Margareten, und das Franziskus-Spital Landstraße, ehemals Krankenhaus St. Elisabeth, sowie Altenpflegeheime im 13. Bezirk, nahe dem Lainzer Tiergarten. Da diese Pflegeheime den künftigen Standards nicht mehr entsprechen, entsteht am Standort Lainz ein neues Heim mit rund 140 Zimmern, das höchste Qualitätsstandards in Betreuung und Pflege schafft.
Notwendig geworden war dies durch die Änderung der gesetzlichen Regelung, die ab 2020 Barrierefreiheit für Pflegeeinrichtungen vorschreibt. Da ein Umbau der zwei bestehenden Heime nicht möglich war, entschloss man sich zu einer Konzentration der Pflegeeinrichtungen an nur einem Standort und somit zum Neubau; die beiden anderen Heime werden nach dessen Fertigstellung geschlossen. 2016 wurde ein geladener Architekturwettbewerb ausgelobt. Aus Einreichungen sechs hochkarätiger Architektenteams überzeugte die Jury das Konzept von Schenker Salvi Weber. Danach ging alles sehr schnell. 2017 wurde der Bestand abgebrochen. Am 28. Juni 2018 erfolgte die feierliche Grundsteinlegung für den Neubau.
Das wunderschöne Hanggrundstück von außergewöhnlicher Qualität befindet sich im Besitz des Ordens und liegt in Hietzing, es grenzt an den Friedhof Ober St. Veit und an einen Ausläufer des Lainzer Tiergartens. Darauf lag das Josefsheim, das an der Stelle einer 1747 gebauten Einsiedelei lag, deren Nachfolgebauten nach wechselnden Besitzern und Nutzungen 1909, nach einem Brand, als Erholungsheim samt neoromanischer Kapelle für die Ordensschwestern errichtet worden war. Vom Denkmalamt als nicht erhaltungswürdig ausgewiesen, musste es nun dem Neubau weichen. Der Flächenwidmungsplan wurde zugunsten der ausnutzbaren Fläche leicht geändert, die zulässige Gebäudehöhe mit 13 Metern limitiert, die Stellplatzverpflichtung auf 50 Prozent herabgesetzt.
Durch die Hanglage und das Parkschutzgebiet war die Bebauungsmöglichkeit begrenzt. Da die Architekten unbedingt den Altbaumbestand erhalten wollten, platzierten sie den L-förmigen Baukörper an den Rand des Grundstückes, mit zwei klar definierten Seiten, einer städtischen mit Panoramafernblick über Wien und einer intimen Seite in den Park mit dem freien Blick hangwärts über eine 2.900 Quadratmeter große Gartenfläche und 4.850 Quadratmeter Waldfläche.
Barrierefreien Zugang zum Park haben alle Wohngruppen über die zentral gelegenen Stiegenhäuser mit zwei im ersten Obergeschoß gelegenen Ausgängen. Zwischen den zwei Ausgängen ist eine ebene Fläche aufgespannt, die multifunktional genutzt werden kann und durch zahlreiche Sitzgelegenheiten sowie Bepflanzungen zum Verweilen einlädt. Der von DnD Landschaftsplanung gestaltete Garten für Menschen mit Demenz ist nach Süden ausgerichtet, was dessen Benutzbarkeit erhöht. Der gesamte Garten ist über die Gebäudesetzung, die Grundstücksgrenzen und durch Stützmauern natürlich definiert und umfriedet. Über mäandrierende Endlosschleifen sind die Zugänge zu den Wohngruppen miteinander verbunden. Verschlungene Wege führen auch durch den Baumbestand. Der Garten ist mit unterschiedlichen Themen wie etwa einem Klanggarten, Tastgarten, Gemüsegarten mit Hochbeeten, Rosengarten, Duftgarten und Obstgarten bespielt.
Erdgeschoß: Die ostseitige Gebäudegrenze wurde zurückversetzt. Dadurch entstand ein klar definierter Ankunftsbereich mit einem 1.100 Quadratmeter großen Vorplatz, der mit Sitzelementen (Bankerln) unter dem großen Baum als Dorfplatz ausgestaltet wird und zum Verweilen und Beobachten des Kommen und Gehens einlädt. Versiegelte Flächen ermöglichen die Zufahrt bis zum großzügigen, gedeckten Außenbereich des Hauses. Dieser klar geometrisch gegliederte Eingangsbereich liegt zwischen der öffentlich zugänglichen Cafeteria mit Terrasse, einem großen Mehrzweckraum, der Rezeption, der Kapelle, dem Friseur und der kleinen Greißlerei. Das Erdgeschoß enthält außerdem die Zentralräume wie Verwaltung, Küche, Lager, Dienstzimmer, Therapieräume sowie andere Infrastruktureinrichtungen. Ein zweiter Eingang für die Ver- und Entsorgung sowie das Personal liegt an der Westseite beim Wirtschafts- und Küchentrakt, wo sich auch ein Parkplatz befindet.
Obergeschoße: Der L-förmige Baukörper ist in vier annähernd quadratische Knöpfe bzw. Einheiten gegliedert, die durch ein Rückgrat zu einer Großform miteinander verbunden sind. Die eigentlichen Wohngeschoße mit den Individualzimmern liegen im ersten, zweiten und dritten Obergeschoß. Jede der vier Einheiten pro Geschoß besteht aus zwölf bis 14 Zimmern, die eine Wohngemeinschaft bilden. Die Einzelzimmer gruppieren sich radial um einen großzügigen zentralen offenen gemeinschaftlichen Wohn- und Küchenraum, der für eine familiäre und häusliche Atmosphäre sorgt. Anstelle einer Wohngruppe sind im dritten Obergeschoß acht Novizinnenzimmer integriert. Zwei der Wohnblöcke bieten einen direkten Blick in Park und Hof, die zwei ostseitigen Einheiten verfügen über einen mittigen, offenen Lufthof. Alle Wohngemeinschaften verfügen außerdem über Gemeinschaftsterrassen, die so groß sind, dass auch Betten darauf Platz finden. Damit können auch bettlägerige Bewohner einen Ortswechsel und frische Luft genießen. Außerdem sind die Zimmer so angelegt, dass man vom Bett aus in den Park sehen kann.
Die Architekten wurden auch mit der Einrichtung beauftragt. Die Zimmer sind, auch aufgrund zahlreicher Vorschriften, mit Kautschukböden belegt. Viel Holz und sanfte, angenehme Farben generieren eine beruhigende Stimmung. Zurückhaltung bei gleichzeitiger Präsenz war das Motto bei der Möblierung, die den Bewohnern möglichst individuelle Gestaltungsfreiheit für ihren Lebensbereich ermöglichen soll.
Der Rohbau ist in Stahlbeton mit Stützen und Schotten gefertigt. Auf die Fassade des Sockelgeschoßes aus Stein folgt eine Holz-Riegel-Konstruktion mit einer Schalung aus Lärchenbrettern, die vorverwittert und vorgefertigt geliefert wurde und in einem milden grau-silbrigen Farbton schimmert. Deren Schuppigkeit erlaubt die Erkennbarkeit der einzelnen Geschoße und sie nimmt Bezug auf die Maßstäblichkeit des Ortes. Geheizt wird mangels Anschlusses an die Fernwärme mit Gas, ergänzt durch Photovoltaik.
Im September 2018 wurde die Dachgleiche gefeiert. Oberin Mag. Sr. M. Hilda Daurer und Friederike Hacker, die Geschäftsführerin der Heime der Franziskanerinnen, freuten sich mit den Arbeitern der verschiedenen Gewerke über den Baufortschritt und die harmonische Zusammenarbeit mit den Architekten. Auch Peter Köstenberger, Bauprojektmanager und Geschäftsführer der Bauwert Köstenberger GmbH, war überzeugt: „Wir sind zuversichtlich, dass weiterhin alle geplanten Projektschritte in bester Qualität und rechtzeitig erfolgen werden, sodass die Eröffnung des Hauses 2019 sichergestellt werden kann.“ Auch das sehr knappe Budget von 15,6 Millionen Euro Baukosten für 11.300 Quadratmeter BGF wird eingehalten werden können.
Schöner als hier kann man seinen letzte Jahren des Lebens nirgendwo verbringen. Die hier entwickelte Raumlösung für Wohngemeinschaften wäre aber auch für Studentenwohnungen oder Altersgemeinschaften bestens geeignet.
https://www.bauforum.at/architektur-bauforum/lebensabend-im-garten-eden-178133
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